Ohne Zweifel hat die Auseinandersetzung mit Medien eine große Bedeutung für Strategien der Gewaltprävention. Nicht im reaktiven Sinne von Bewahrung und Verbot, sondern im aktiven Sinne der Aneignung von Medien zur aktiven Gestaltung und kritischen Auseinandersetzung. Dabei sollte bei der Diskussion um Gewalt in Medien stets im Bewusstsein sein: Es sind nicht Kinder und Jugendliche, die diese Spiele und Filme produzieren und in Umlauf bringen, sondern Erwachsene, die damit Geld verdienen wollen. Aber es ist genauso richtig, dass es neben dem Angebot auch eine Nachfrage nach solchen Spielen gibt.
Medien verändern Medien verändern unsere Welt, unsere ethischen Vorstellungen, unsere Gefühle – und deshalb müssen wir auch Einfluss auf die Medien nehmen.
Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. In: tv diskurs, 4/2007, S. 28.
Jugendwelt ist „Medienwelt“
Kinder und Jugendliche leben nicht nur in einer von Medien geprägten Umwelt, ihre Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit und die Aneignung der Welt vollzieht sich in einem zunehmenden Maße über medienvermittelte Erfahrungen. Die Einflüsse von Medien auf den Alltag, auf Meinungen und Wissen sind allgegenwärtig und werden sich in den nächsten Jahren vor dem Hintergrund der sich immer weiter entwickelnden Informations- und Kommunikationstechnologien noch intensivieren. Erziehung und Bildung können diese Entwicklungen nicht ignorieren.
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene verfügen heute nicht nur über beträchtliche Medienerfahrungen, sondern auch über eine relativ hohe Medienkompetenz was den Umgang mit und die Bedienung von Geräten betrifft – nicht so sehr was ein kritischer Umgang damit ausmacht. Bei genauerer Betrachtung ergeben sich allerdings je nach sozialem Umfeld und Bildungsniveau erhebliche Unterschiede im Umfang und Intensität der Mediennutzung.
Medien und Sozialisation
Ein Drittel aller Kinder nennt Personen (Schauspieler) aus Film und Fernsehen als ihr Idol, bzw. Vorbild. Fernsehen, Musik hören, Videos sehen gehören zu ihren beliebtesten und verbreitesten Frei zeitinteressen (JIM-Studie 2008). Haushalte, in denen Kinder aufwachsen, weisen eine zunehmende Medienausstattung auf. Bei Fernsehgeräten, Handys und Computern inklusive Internetzugang kann heute von einer Vollversorgung ausgegangen werden.
Medien sind Teil der Kinder- und Jugendkultur und vermitteln Zugang zu ihr. Sie drücken Lebensgefühle aus und ermöglichen gesellschaftliche Teilhabe und Kontaktaufnahme zu anderen. Medien erfüllen für Kinder und Jugendliche in spezifischen Lebensphasen bestimmte (innerpsychische und soziale) Bedürfnisse, die Entwicklungsprozesse unterstützen. Durch Medien bearbeiten Kinder und Jugendliche auch eigene Lebensthemen. Dies ist nicht so sehr ein äußerer, sondern vor allem ein innerer Prozess. Dabei ist auch zu beachten, dass es geschlechtsspezifische Unterschiede in der Nutzung und im Umgang mit Medien gibt.
Medien und Gewalt
Einer der großen Problembereiche im Umgang mit (Neuen) Medien sind neben pornografischen Angeboten die exzessiven Gewaltdarstellungen. Häufig wird das Problem auf den Bereich gewalthaltiger Computerspiele, insbesondere sog. Ego-Shooter-Spiele verkürzt. Gewalt ist in den fiktionalen und realen Medieninhalten in allen Varianten und Darstellungsformen zu finden. Gewaltdarstellungen haben dabei eine eigene ästhetik entwickelt. Der „Gewaltgehalt“ der einzelnen Fernsehprogramme (öffentlich-rechtlicher ebenso wie privater) ist unterschiedlich hoch. Es geht jedoch nicht darum, die Morde und Gewalttaten zu zählen (über 500 sollen es pro Woche in deutschen Programmen sein), die Kinder im Laufe ihres Lebens sehen, also die quantitative Dimension zu erfassen – so wichtig diese sein kann – als vielmehr die Macharten, Darstellungsformen und dahinter liegenden Botschaften, also die Qualität der Darstellungen, zu untersuchen.
Was als Gewalt in Medien bezeichnet wird, hängt davon ab, von welchem Gewaltverständnis man ausgeht, ob ein enger oder weiter Gewaltbegriff angelegt wird. In der Regel wird mit Gewalt in den Medien die Abbildung physischer Gewalt (schlagen, stechen, schießen) verstanden, nicht jedoch z.B. die unblutige Simulation eines totalitären Herrschaftssystems. Es ist ein Defizit der Diskussion um Gewalt in Medien, dass sie von einem eindimensionalen (rudimentären) Gewaltbegriff ausgeht. Deshalb schlagen verschiedene Autoren einen medienspezifischen Gewaltbegriff vor (vgl. Grimm 2005, S. 64 – siehe unten).
Ein wichtiger Teilbereich der Gewaltdarstellungen in Medien betrifft kollektive Gewalt in Form von Bürgerkriegen und Kriegen. Kriegsnachrichten, Kriegsfilme und Kriegscomputerspiele werden oft als eigenständige Medien wahrgenommen, dennoch gibt es (trotz fundamentaler Unterschiede in der Rolle des Zuschauers bzw. Spielers, aber auch bei der Frage von Fiktion und Realität) eine Reihe von Gemeinsamkeiten, die generell auf Bildschirmmedien zuzutreffen scheinen. Hierzu gehören z.B. die Präsentation eines Freund-Feind-Dualismus sowie die mediale Inszenierung von Krieg mit dem Ziel, möglichst viele Zuschauer/Spieler so lange wie möglich vor dem Bildschirm zu halten (vgl. Büttner/Kladzinski 2005).
Wenn fiktionale und reale Darstellungsformen und Inhalte miteinander verschmelzen und zudem den Prinzipien der Inszenierung und Zensur unterliegen, dann hat dies auch Auswirkungen auf die Vermittlung von Weltbildern und den Informationsgehalt von Nachrichtensendungen.
Medienspezifischer Gewaltbegriff
Unter Gewalt werden üblicherweise nur intentionale Handlungen verstanden, die zu Verletzungen und Schädigungen führen. Grimm u.a. weisen darauf hin, dass durch die mediale Präsentation auch bestimmte intentionsunabhängige Vorfälle, bei denen Menschen zu Schaden kommen, ängstigend wirken können. Würden Schmerzen und Leiden der Opfer gezeigt, die z.B. von einem schweren Unfall herrühren, würde dies in der Regel als gewaltsam empfunden, vor allem dann, wenn die Darstellung drastisch und deutlich sei und eine Identifikation mit den Opfern erfolge. Sie folgern daraus, dass ein Gewaltbegriff, der allein intentionale Gewalt als solche definiert, der Darstellung von Gewalt im Fernsehen (z.B. Nachrichten, Actionfilme, Magazine) nicht gerecht werde, und schlagen deshalb folgenden Gewaltbegriff für die Mediengewalt vor: „Gewalt ist die physische, psychische oder materielle Schädigung von Objekt(en) durch Subjekt(e), Naturgewalten oder Unfälle. Gewalt kann intentional oder Intentions unabhängig sein. Intentionale Gewalt umfasst drei Einheiten: glaubwürdige Drohungen, die Gewalttat selbst sowie schädliche Folgen. Intentions unabhängige Gewalt umfasst zwei Einheiten: den Vorfall und die schädlichen Folgen.“
Petra Grimm/Katja Kirste/Jutta Weiß: Gewalt zwischen Fakten und Fiktionen. Berlin 2005, S. 64.
Nicht berücksichtigt werden mit diesem Gewaltbegriff jedoch z.B. die Etablierung von rassistischen Weltbildern, die Legitimierung von Menschenrechtsverletzungen oder ungerechten Zuständen, also die Bereiche, die Johan Galtung mit struktureller und kultureller Gewalt bezeichnet.