Lehrer und Schüler verstehen unter Gewalt oft etwas Verschiedenes. Die „Gewaltschwelle“ liegt bei Schülern höher und verbale Formen von Gewalt sind nicht so stark im Blickfeld wie dies bei Lehrerinnen und Lehrern der Fall ist.
Das Gewaltverständnis von Schülern
Eine Schülerbefragung kommt zu folgendem Ergebnis: Die größte Gruppe der Schüler (Jungen 39 %, Mädchen 37 %) definiert Gewalt in ihrer physischen Form als alles, was anderen Schaden zufügt und das wäre in eigenen Worten: an jemanden austeilen, boxen, die Hand ausrutschen lassen, draufschlagen, treten, verhauen, verletzen, vermöbeln ...
Leichte körperliche Gewalt, wie angefasst werden, anrempeln, anspucken, Handgreiflichkeiten, herum geschubst werden, jemanden anpacken, jemanden festhalten, jemanden stoßen ... wird von nur jeweils etwa 1 % der männlichen und weiblichen Schüler als Gewalt genannt. Diese seltene Nennung lässt darauf schließen, dass bei der Gewaltkonzeptionen der meisten Schüler solche schwachen Formen der Aggression nicht im ersteren Sinne als Gewalt eingestuft werden, sondern eher unter rauem Umgang subsumiert werden.
Jungen und Mädchen
Jungen und Mädchen sind unterschiedlich mit Gewalt konfrontiert und erleben diese auch verschieden. Eine Befragung, die auf Selbstauskünften von Schülerinnen und Schülern basiert, kommt zu folgendem Ergebnis:
-
Jungen haben wesentlich öfter eine Rache basierte Einstellung zu Gewalt, während bei Mädchen die Konfliktlösung deutlich häufiger im Mittelpunkt steht.
-
Jungen gebrauchen Gewalt eher aus Selbstschutz, während Mädchen eher durch psychisch-emotionale Einflüsse (wie Stress, Leistungsdruck oder Eifersucht) aggressiv werden.
-
Mädchen sind häufiger Opfer von Ignoranz und erfahren in diesem Kontext mehr psychischen Druck als Jungen.
-
Alle körperlichen Formen der Gewalt werden wesentlich häufiger von Jungen als Opfer erlebt.
-
Für Mädchen fängt Gewalt schon bei verbaler Aggressivität an. Auch Formen physischer und psychischer Gewalt werden deutlich häufiger von Mädchen als Gewaltkonzept explizit genannt.
-
Die Bewertung von Gewalt als etwas Negatives wird wesentlich häufiger von Mädchen vorgenommen.
-
Generell ist das Gewaltkonzept von Mädchen im Vergleich zu Jungen einerseits deutlich sensibilisierter und andererseits mit größerer Ablehnung verbunden.
Kristian Klett: Gewalt an Schulen. Eine Deutschland weite Online-Schülerbefragung zur Gewaltsituation an Schulen. Dissertation, Köln 2005, S. 93, S. 103.
Was ist für Dich Gewalt?
Eine repräsentative Umfrage zur Gewaltdefinition von Kindern im Alter von 9-14 Jahren zeigt: Fast die Hälfte aller Antworten (44 %) fallen in den Bereich „Körperverletzung“ (schlagen, treten, ...). Auf Platz zwei aller Nennungen (9 %) sind Begriffe wie „Töten“,„Ermorden“ oder „Umbringen“. Auf dem Dritten Platz liegen die Nennungen von „Vergewaltigungen“ (6 %) zusammen mit Äußerungen wie „Missbrauch“ oder „Misshandlung“. Bei Mädchen spielen Begriffe wie„Vergewaltigung“ oder „Missbrauch“ eine erheblich größere Rolle, als bei Jungen. Bei Jungen ist dagegen „Waffengewalt“ als Thema präsenter.
Vgl. LBS-Initiative Junge Familie (Hrsg.): Kindheit 2001 – Das LBS-Kinderbarometer. Opladen 2001, S. 127 ff.