Gewalt an Schulen

Gewalt an Schulen

Gewalt in der Schule stellt in allen Ländern ein Problem dar. Gewalt an Schulen wird häufig mit Gewalt von Schülern gleichgesetzt. Diese ist jedoch nur ein Aspekt. Melzer u.a. (2004, S. 86) weisen darauf hin, dass z.B. die deutsche Debatte um Schulgewalt in den 70er Jahren unter dem Aspekt von Schule als Ort von struktureller Gewalt geführt wurde. Schülergewalt wurde hier als Reaktion auf strukturelle Gewalt interpretiert, während es kennzeichnend für die neuere Diskussion (seit Anfang der 1990er Jahre) um Schule und Gewalt ist, dass der Fokus und die dominante Forschungsperspektive sich nahezu ausschließlich auf Schülergewalt richtet, während andere Schulangehörige (Lehrkräfte) als Täter fast überhaupt nicht vorkommen. Die Diskussion um Gewalt an Schulen muss jedoch alle Formen von Gewalt einbeziehen (vgl. Schäfer/Korn o.J.).

Schülergewalt wird von Klewin u.a. (2002, S. 1078 f.) in drei Ver­haltensgruppen unterteilt:

  • Körperlicher Zwang und physische Schädigung: Im Rahmen von Auseinandersetzungen und Konflikten wird körperliche Gewalt angewendet, um den anderen zu schädigen.
  • Verbale Attacke und psychische Schädigung: Beleidigungen, Er­niedrigungen, emotionale Erpressungen.
  • Bullying: In einer spezifischen Opfer-Täter-Beziehung wird das Opfer dauerhaft gequält und drangsaliert, wobei körperliche und psychische Gewalt angewendet wird.
Häufig werden keine klaren Grenzen zwischen Gewalt und devi­antem Verhalten (Diebstahl, Drogenkonsum, Schwänzen, Mogeln usw.) gezogen.

Hanke (2007, S. 105) stellt sowohl in wissenschaftlichen Analysen, wie auch in alltagspraktischen Handreichungen einen gemeinsamen operationalen Konsens darüber fest, was heute als Gewalt an Schulen zu bezeichnen ist:

  • verbale Gewaltformen wie Beleidigungen, Beschimpfungen und Hänseleien;
  • die traditionell als Gewalt definierte körperliche Gewalt, wie Schlagen, Treten oder Raufen;
  • die immer häufiger vorkommende psychische Gewalt, wie je­manden fertig machen, jemanden ausschließen oder Mobbing sowie
  • das Zerstören, Beschädigen oder Klauen von persönlichen Gegenständen und Schuleinrichtung, bekannt auch als Vandalismus. Ausgeklammert sind meist spezielle Formen wie sexuelle, rassi­stische oder radikale Gewalt; auch der Aspekt der strukturellen Gewalt findet nur sehr selten Berücksichtigung.

Eine jederzeit verfügbare Ressource Die Hoffnung vieler Pädagogen und Erziehungstheoretiker, dass sich Bildungsprozesse in der Schule in einem permanenten Zivilisationsprozess befinden, an dessen Ende eine gewaltfreie Umgangsform zwischen Lehrerinnen und Lehrern auf der einen Seite und Schülerinnen und Schülern auf der anderen Seite und auch innerhalb der Schülerschaft und der Lehrerschaft besteht, hat sich als ein Traum herausgestellt. Vielmehr hat der historische Wandel von Bildungs- und Unterrichtsabläufen zu neuen Ausprägungen, Formen und Verläufen von Gewalt in Schulen geführt.

Sowohl für Lehrerinnen und Lehrer, als auch für Schülerinnen und Schüler stellt Gewalt eine jederzeit verfügbare Ressource dar, die sich ihre spezifischen Profile und Wege sucht und in einer frappierenden Weise den breiten menschlichen Einfallsreichtum widerspiegelt.
Klaus Hurrelmann/Heidrun Bründel: Gewalt an Schulen. Pädagogische Antworten auf eine soziale Krise. Weinheim und Basel 2007, S. 15 f.

Gewaltverständnis von Schülern
Schülerinnen und Schüler haben nach den vorliegenden Unter­suchungen ein engeres Gewaltverständnis als Lehrkräfte. Einigkeit zwischen Lehrkräften und Schülern besteht in der Einordnung von körperlichen Angriffen, Erpressungen und Vandalismus als Gewalt. Bei psychischer und verbaler Gewalt gehen die Einschätzungen auseinander. Doch auch Mädchen stufen psychische und verbale Verhaltensweisen häufiger als gewalttätige Handlungsweisen ein als Jungen (vgl. Pröhl 2006, S. 33).

Unschärfe des Gewaltbegriffs: Die Befragungen zur „Gewalt an Schulen“ legen nahe, dass neben körperlichen Angriffen und Drohungen vor allem verbale Aggressionen und soziale Ausgrenzungen häufig sind. Selbstverständlich ist auch dies für die betroffenen Schüler sehr unangenehm, der Gewaltbegriff ist hier aber unangemessen. Die pauschale Etikettierung von Aggressionen und Interaktionsproblemen unter Jugendlichen mit „Gewalt“ ist eine Folge der allgemeinen Ausweitung und Unschärfe dieses Begriffs.
Friedrich Lösel/Thomas Biesener: Aggression und Delinquenz unter Jugendlichen. München/Neuwied 2003, S. 3.

Tendenz zur Entgrenzung
Es zeigt sich, dass im schulischen Bereich eine Tendenz zur Entgrenzung des Gewaltbegriffs festzustellen ist und Gewalt zur Etikettierung aller negativen Verhaltensweisen verwendet wird. Die Erfassung verbaler Aggressionen unter dem Thema „Gewalt an Schulen“ führt zu einer Dramatisierung und Verfälschung der tatsächlichen Gewaltsituation. Insbesondere Schulleiter scheinen dazu zu neigen, alle Verhaltensweisen als Gewalt einzustufen, die geeig­net sein könnten, die normale Routine des pädagogischen Betriebs zu stören (vgl. Pröhl 2006, S. 25, 33, 107).

Gewaltverständnis in empirischen Untersuchungen
In empirischen Untersuchungen über Schulgewalt werden je nach Disziplin verschiedene Gewaltbegriffe (enge und weite) zugrunde gelegt. Während Pädagogen und Sozialwissenschaftler häufig von einem weiten Gewaltbegriff ausgehen, liegt kriminologischen Untersuchungen eher ein enger Gewaltbegriff zugrunde. Als Minimalkonsens kann die Unterscheidung der physischen Gewalt gegen Personen und gegen Sachen gesehen werden.

Kaum untersucht wird Gewalt, die von Lehrkräften und von Schulstrukturen ausgeht, ebenso wenig das Gewaltverständnis von Schülerinnen und Schülern. Auch selbstdestruktives Verhalten von Schülern sowie der Bereich von Suizid taucht in Studien zur Gewalt an Schulen nicht auf (Pröhl 2006, S. 33).

Die Berliner Senatsverwaltung weist auf ein weiteres Problem hin: Die Einschätzungen und Zuordnungen von Gewalt in Meldebögen würden von juristischen Laien vorgenommen. So würde z.B. eine „Bedrohung“ als eine erlebte Drohung eingestuft, unabhängig da­von, ob die Tat durch einen Richter als Drohung mit einem ent­sprechenden Strafmaß gesehen würde. Ebenso würde die Einstufung als „Opfer“ bzw. „Täter“ aufgrund des Augenscheins vorgenom- men, ohne weitere Untersuchungen durchzuführen (vgl. Senatsverwaltung 2008, S. 5).

Ist Gewalt an Schulen ein Problem?
An den meisten Schulen in Deutschland scheint Gewalt kein wirklich großes Problem zu sein, so das Ergebnis einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach. Die Mehrheit der Bevölkerung (71%) jedenfalls kann davon an den Schulen der eigenen Wohngegend nichts erkennen. Dass es an den Schulen der Umgebung ein großes Gewaltproblem gibt, wird eher von Befragten angenommen, die selbst keine Kinder in einer der Schulen haben (17%) als von Schülereltern (12%), die aus Erfahrung sprechen.

Eine generelle Zunahme von Gewalt an den Schulen scheint es in Deutschland – zumindest in der Wahrnehmung der Eltern – nicht zu geben. Vor 14 Jahren berichteten 9% der Schülereltern davon, dass ihr Kind im schulischen Umfeld schon einmal mit Gewalttätigkeit konfrontiert worden sei. Jetzt, 2006, geben 10% der Schülereltern zu Protokoll, dass ihr Kind schon einmal gewalttätig im schulischen Umfeld angegriffen worden sei.

Häufiger als noch vor 14 Jahren kommt es heute vor allem in den Großstädten zu Gewalttätigkeiten im schulischen Umfeld. 1992 berichteten 11% der Schülereltern aus Großstädten davon, dass ihr Kind schon einmal gewalttätig angegriffen worden ist, heute 16%.
Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach vom 1.-13.6.2006. 1.438 Befragte. Repräsentativ für Gesamtdeutschland (Bevölkerung ab 16 Jahre). Allensbacher Berichte Nr. 10/2006.

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